Dr. Wolf Karge

Autor, Publizist, Museumsberater

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Ein Jahrtausend Mecklenburg und Vorpommern. Biographie einer norddeutschen Region in Einzeldarstellungen
Hinstorff-Verlag
Herausgeber: Wolf Karge, Peter-Joachim Rakow, Ralf Wendt
Rostock 1995
ISBN 3-356-00623-1
Was war Mecklenburg vor 1000 Jahren, wie sprach man in diesem Land, gab es Störtebeker wirklich, sind die Mecklenburger und Vorpommern tatsächlich 50 Jahre hinter der zeit zurück oder machten sie sogar europäische Geschichte? Diesen und anderen Fragen sind 44 Autoren nachgegangen. Als Aufsatzband zur Ausstellung "1000 Jahre Mecklenburg" konzipiert, gibt der Band Überblicksdarstellung und Antworten auf Einzelfragen zu Kunst, Kultur, Alltag, Politik, Wirtschaft und Sprache.

Leseprobe:
1000 Jahre Mecklenburg - Schwierigkeiten eines Jubiläums
Das Datum hat eher zufälligen Charakter und der Anlaß für die Ausstellung einer Urkunde wäre heute kaum eine Feier wert. Am 10. September 995 geruhte nämlich Otto III., damals noch deutscher König, später dann auch Kaiser, seinem (hoffentlich) treuen Kämmerer Tiezo das Dorf Poztrigami zu schenken, welches wiederum im Burgward Bitrizi lag. Ob der Kämmerer auf diese Art sein Gehalt bezog oder ob es sich um einen eklatanten Fall von Bestechung handelt, ist nicht klar. Der Klang dieser Namen könnte vermuten lassen, daß sich Poztrigami weit entfernt von Rostock in östlicher Richtung befand. Das täuscht nur zum Teil. Es sind slawische Bezeichnungen für Dörfer im damals Brandenburgischen - also südwestlich von Rostock. Bitrizi ist das heutige Biederitz wenige Kilometer östlich von Magdeburg und damit jetzt Sachsen-Anhalt zugehörig und Poztrigami hat als Dorf nicht überlebt. Eigentlich müßten alle Biederitzer sich nun auch auf eine ähnliche Jubiläumsfeier vorbereiten.
Doch all das hat herzlich wenig mit unserem Mecklenburg zu tun. Der Zufall oder die "Geschäfte" Otto III. brachten es aber so mit sich, daß er gerade "dienstlich" im Land der Obotriten unterwegs war, um genau dieses - das Land - zu erobern. Es sollte ihm nicht gelingen. Er war dabei aber in jene Burg eingedrungen, die heute noch für ein einigermaßen geübtes Auge als Burgwall erkennbar ist und dem benachbarten Dorf später zu dem Namen "Dorf Mecklenburg" verhalf. Der König mußte auch dort seinen Verwaltungspflichten nachkommen (sein Büro führte er ständig mit sich) und beendete die Schenkungsurkunde für seinen Kämmerer mit der Bemerkung: "Actum Michelenburg". Diese Ortsbezeichnung ist in deutscher Sprache abgefaßt und heißt im heutigen Gebrauch "Große Burg". Es ist also nicht überliefert, wie die slawischen "Burgherren", die kurz danach ihr Eigentum wieder in Besitz nahmen und auch weitere 200 Jahre noch erfolgreich verteidigten, ihre Befestigungsanlage in ihrer Muttersprache nannten. Die Besatzer scheint es nicht interessiert zu haben und die Eigentümer konnten nicht schreiben. Damit ist dieser Schenkungsakt die älteste urkundliche Erwähnung des Namens "Mecklenburg", die uns heute bekannt ist. Allerdings gibt es noch einen kleinen Schönheitsfehler - die Urkunde existiert nicht mehr im Original. Der König oder Kaiser Otto kann sie aber nicht verbummelt haben, denn etwa 500 Jahre später wurde sie fein säuberlich in ein Buch mit der Hand abgeschrieben. Dieses Buch wiederum liegt nun heute in Magdeburg im Landeshauptarchiv. An der Echtheit und Richtigkeit dieser Abschrift wird aber zum Glück nicht gezweifelt....
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